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SPRECHER, MODERATOR & WORKSHOPLEITER

Dr. Marc Reisner

WIR LERNEN NICHT, SONDERN SAMMELN CREDIT POINTS

Wie Schulen und Unternehmen die bevorstehende Revolution aussitzen.

SPRECHER, MODERATOR & WORKSHOPLEITER

Dr. Marc Reisner

Mein Sohn ist seit acht Monaten in der Schule. Selbstredend bin ich einer dieser Väter, der schon vorher wusste, dass das alles nur Murks ist. Je länger ich mir das System Schule aber aus der Innenperspektive ansehe, desto mehr wird mir klar, warum meine Studenten
so sind, wie sie sind und warum ich von so viel Rat- und Planlosigkeit in den Betrieben umgeben bin.

Das Ganze beginnt ja schon mit einer riesigen Verlade. Einschulung ist heutzutage wie ein Kindergeburtstag. Man bekommt Geschenke.
Oma, Opa, Tanten, Onkel und auch der Familienhund dürfen an dem Event teilhaben und sich daran erfreuen, dass
Sohn / Tochter jetzt schon richtig groß sind und die Schule besuchen dürfen. Nach der ersten Woche kommt dann die berechtigte
Frage vom Nachwuchs: „Papa, warum muss ich morgen schon wieder in die Schule?“, denn die wenigsten Kinder haben zu diesem Zeitpunkt realisiert, dass die Schulzeit etwas länger ist als
ihre letzte Kindergeburtstagsparty. Spätestens im Winter weiß kein Erstklässler mehr, warum er sich denn überhaupt so auf die Schule gefreut hat.

 

Vergleicht man die Institution Schule mit Unternehmen in der Wirtschaft, fallen einige interessante Gemeinsamkeiten ins
Auge: In beiden Systemen spielt Erfolg eine extrem große Rolle. Mehr Umsatz – bessere Noten. In beiden Systemen verharren Mitarbeiter in Schockstarre, weil sie total angstbesetzt sind. Und zu guter Letzt: die Hierarchie.

 

Dieser Artikel soll sich nicht damit beschäftigen, warum alles so furchtbar ist. Dieser Artikel geht vielmehr einigen Aspekten nach, warum wir kurz davor sind, den Anschluss an unsere Zukunft zu
verlieren. Warum gerade unsere Tugenden verhindern, dass wir zurzeit eine zufriedene und gerechte Gesellschaft aufbauen können. Es geht darum, dass wir zu träge für eine Revolution sind, dass jeder nur an sich denkt und dass unsere Werte und Normen völlig veraltet sind.

Das Trauma des Erfolges

Wenn man von Erfolg spricht, kann man diesen erst definieren, wenn man sich mit Wertesystemen auseinander gesetzt hat. Unser Wertesystem ist nicht besonders alt. Es entstand mit der Industrialisierung. Also in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Fortan wurden die Werte Leistung, Erfolg und Reichtum groß geschrieben. Oder einfacher ausgedrückt: Wer viel leistet (arbeitet), hat viel Erfolg und wird daher auch Wohlstand ernten. In anderen Zeiten gab es aber ganz andere Wertesysteme. Wer beispielsweise im alten Rom oder Griechenland gearbeitet hat, war eher ein Opfer der Sklaverei. Die richtig coolen Leute haben damals nicht gearbeitet. Sie hatten den ganzen Tag Zeit für Kunst, Politik oder Philosophie. Wer es nicht glaubt, soll folgende Frage beantworten: Wie heißen die drei berühmtesten römischen Geschäftsleute? In der Unternehmenstheorie unterscheidet man zwischen Managern und Leadern. Manager treffen Entscheidungen aufgrund von Daten und nachvollziehbaren Entscheidungen anderer Menschen in der Vergangenheit. Dafür enthalten sie Rendite, also Reichtum. Leader entscheiden aus dem Bauch heraus und erhalten dafür die Loyalität ihrer Mitarbeiter.
Frage: War Steve Jobs ein Manager oder ein Leader?

feststellen, dass diese meist auf der Suche nach Leadern sind. Für viele ist Manager sogar mittlerweile ein Schimpfwort. Denn wie will man eine Zukunft planen, die keiner kennt? Da kann man sich ja nur auf die Dinge verlassen, die man bisher gemacht hat. Innovation kann so nicht entstehen. Dennoch werden heute fast nur Manager ausgebildet, denn was ein Leader wirklich kann, nämlich aus dem Bauch heraus entscheiden, das lernt man nicht so einfach aus Büchern. Dazu bedarf es vor allem auch eines: Haltung.

 

Jetzt sind wir wieder in der Schule. Oder besser gesagt an der Hochschule. Ich habe über viele Semester hinweg Mentorengruppen betreut. Das sind Studierende, die gerade von der Schule kommen und eine besondere pädagogische Betreuung brauchen. Denn merke: Jeder Student bringt einer Hochschule Geld. Daher sollte man unbedingt vermeiden, dass man unterwegs jemanden verliert, der daran scheitert, das Deckblatt seiner Hausarbeit zu erstellen. Das war nicht sarkastisch gemeint. Die Realität ist zum Teil noch viel erschreckender. Sieht man sich also diese Studienneulinge an, weiß man schnell vieles über die Schule, denn die Damen und Herren haben vor allem dort eines gelernt: Klausuren zu bestehen. Zu welchem Thema? Egal. Das grundlegende Mindset lautet: Mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Creditpoints zu bekommen. Der Inhalt ist nebensächlich, denn nach der Klausur wird das Gehirn ohnehin entrümpelt. In der Regel nehmen viele Studierende diese Einstellung bis ans Ende ihres Studiums mit und erlangen so auch ihren Abschluss. Die Guten natürlich nicht, denn diese wechseln schon nach ein oder zwei Semestern an eine Privatuni oder ins Ausland. Erfolg heißt also auf die Lehre bezogen, gute Noten zu schreiben. Gute Noten bekommt man, indem man herausfindet, was der Lehrende am liebsten hören möchte. An der Hochschule wird man von Studierenden darauf auch direkt angesprochen, denn diese finden es total ungerecht, wenn sie nach ihrer eigenen Meinung gefragt werden. Zitat einer Studierenden: „Was nutzt es mir, wenn ich eine eigene Meinung habe und dann eine schlechte Note und keinen Masterstudienplatz bekomme?“ Gegenfrage: Was nutzen der Welt Leute, die so ihren Abschluss machen?

NUR WER SICH SCHLECHT FÜHLT, WIRD ANERKANNT
Sieht man sich Firmen an, die im Allgemeinen als kreativ gehandelt werden (z.B. Apple oder Pixar), stellt man fest, dass diese einige einfache Dinge sehr richtig machen. Dazu gehört zum Beispiel, dass jeder sich seinen Arbeitsplatz selbst einrichten darf. In Deutschland heißt das bestenfalls, dass wir eine Plastikblume von IKEA auf unserem Schreibtisch verrücken dürfen. Der Designer, der für „Findet Nemo“ den Hai „Bruce“ geschaffen hatte, bekam eines Tages eine Plastikfigur von „Bruce“ in Originalgröße überreicht. Wie lange wird der Hai sein? 3 Meter? 4 Meter? Da eine solche Figur nicht in sein Büro passte, hat er kurzerhand die Wand eingeschlagen und ihn durchgesteckt. Bruces Hinterteil ragt seitdem in etwa 1,8 Meter Höhe in einen der Flure von Pixars Bürogebäude und jeder muss sich bücken, wenn er an ihm vorbei will. Dies ist ein personalisierter Arbeitsplatz! Nicht der ganze Mist mit: „Wir haben hier drei hässliche Stühle vom Büroausstatter. Such dir einen aus!“ Man weiß aus unzähligen Studien, dass Räume mit Emotionen aufgeladen sind, bzw. Emotionen schaffen. Wer darf denn in Deutschland seinen Arbeitsplatz selbst ausstatten? Wir waren letztes Jahr im SAP App House. Die dürfen das. Wer noch??? Und warum kommt ein Erstklässler überhaupt in ein komplett eingerichtetes Klassenzimmer? Warum ist das nicht ein völlig leerer Raum und das erste Projekt lautet: Wir bauen ein Klassenzimmer! Wer wird sich wohler fühlen? Der Schüler, der sich den Raum selbst erobert hat oder der Schüler, der auf dem 0815-Stuhl sitzt? Viele Sachen sind gar nicht so kompliziert. Aber es gibt ja noch den Verwaltungsapparat, der auch am Leben gehalten werden will. Da spielt es doch keine Rolle, wie sich Schüler fühlen. Stimmt. In der ersten Klasse meines Sohnes hat schon fast kein Schüler mehr Lust, in die Schule zu gehen. Was ist das für ein Unternehmen, das nach acht Monaten schon alle Mitarbeiter vergrault hat – nur dass Schüler nicht den Job wechseln können. Aber immerhin dürfen einige dieser kleinen Menschen schon zum Kinderpsychologen, und in der Ergotherapie sind ohnehin alle. Das ist ja nur ein Punkt. Fakt ist, wer sich zu gut fühlt und nicht sinnfrei vor sich hinarbeitet, zieht schnell den Hass seiner Kollegen auf sich. Da komme ich doch noch mal zu unserer Tugend der Leistung zurück: In Deutschland wird blindlings Drauflosarbeiten oft mit Leistung verwechselt. Das erkennt man sehr einfach daran, dass Vorgesetzte die Arbeit der Untergebenen an sich reißen, wenn sie bemerken, dass ihnen selbst die Arbeit ausgeht. Denn nur so können sie ihren Vorgesetzten gegenüber darstellen, dass sie selbst ausgesprochen fleißig sind (noch so eine Tugend) und ihre Untergebenen nicht. Also fliegen die anderen raus und nicht sie. Denn wer etwas macht (was auch immer), bleibt im Geschäft. Die Werteeinheiten vieler Unternehmen sind grausig. Das wird auch durch die Unternehmen ganz bewusst gefördert. „Zielvereinbarung“ heißt das Zauberwort. Wer die 100 Prozent der Zielvereinbarung erfüllt, bekommt eine fette Prämie. Also schuften alle wie die Blöden, ohne zu wissen, dass ihre Vorgesetzten gar keine 100 Prozent an alle vergeben dürfen. Selbst wenn alle Mitarbeiter brillant sind, können niemals alle im Team ihre Zielvereinbarung erfüllen. Da gibt es schon Schlüssel, die nichts mit der Leistung der Mitarbeiter zu tun haben, sondern einfach nur davon ausgehen, wie viel Geld im Topf ist. Besonders bemerkenswert erschien mir letztes Jahr eine Feststellung, als ich mit jungen Geflüchteten gearbeitet habe. Einige der ersten Worte, die diese Jugendlichen lernen, sind „brav sein“ und „fleißig sein“. Unabhängig von jeglicher politischen Debatte über die Aufnahme von Geflüchteten, bekommen diese Jugendlichen von unserem Bildungssystem gleich zu Beginn Folgendes mit auf den Weg: „Du bist jetzt hier in Deutschland und wir erwarten von Dir, dass Du unsere Gastfreundschaft durch hervorragende schulische Leistungen erwiderst.“ Im ersten Moment klingt das einleuchtend. Wenn man so etwas einem 15-jährigen deutschen Schüler sagt, bekommt man den Vogel gezeigt.
Es scheint also wichtig zu sein, dass man ein möglichst unfreundliches Umfeld schafft, um effizient arbeiten zu können und dann in seiner Arbeitszeit auch möglichst viel arbeitet, um nicht negativ aufzufallen. Denn wie blöd steht man da, wenn man mittwochs um zwei geht, weil der Kindergeburtstag der Tochter ist? Wenn man dann wirklich gehen kann, ist man offensichtlich nicht völlig ausgelastet. Allerdings weiß man aus der Forschung, dass eine volle Auslastung zum Systemcrash führt: Angenommen, ein Arzt in der Notaufnahme ist 100 Prozent ausgelastet und kann einem Patienten pro Stunde das Leben retten. Was passiert aber, wenn um zwei Uhr kein Patient kommt und um drei Uhr zwei Patienten auf einmal? 100-prozentige Auslastung heißt: Ein Patient muss sterben. Aber genau das streben viele Unternehmen an. Effizienz, noch so eine Tugend.
Lang Lebe der König
In der Schule haben wir früher gelernt: Der Lehrer hat immer recht. Heute weiß man ja, dass das nicht unbedingt so ist. Was ist aber mit all den ehemaligen Schülern, die genau deshalb Lehrer geworden sind? Man kann viel über alternative Bildungskonzepte nachdenken und philosophieren, solange der Lehrer noch die Noten vergibt, haben wir eine klar definierte Machtstruktur. Unabhängig davon, dass jeder unser Notensystem als gottgegeben annimmt (warum gibt es überhaupt sechs Noten und keine acht oder vier????), wird oft unterschätzt, welche soziale Bedeutung Noten für die Schüler haben. Zunächst einmal wird ein Konkurrenzsystem innerhalb des Klassenzimmers aufgespannt. Es gibt die guten Schüler und die schlechten. Meist wollen beide Gruppen nichts miteinander zu tun haben. Weiterhin wird die Behauptung aufgestellt, dass man Leistungen objektiv bewerten kann. Die Wissenschaft weiß schon lange, dass das so nicht funktioniert. Ein Schüler, dessen Hund am Vorabend überfahren wurde, wird am nächsten Morgen mit Sicherheit eine andere Note produzieren, als wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Auf institutioneller Ebene hat man wiederum ganz andere Probleme: Sind die eigenen Schüler signifikant schlechter als die des Nachbargymnasiums, bekommen diese Schüler eher einen Studienplatz. Und auf Länderebene: Was macht man wohl im nächsten Jahr, wenn man in diesem Jahr das schlechteste Mathe-Abi in ganz Deutschland hat? Vielleicht das nächste Mathe-Abi ein bisschen leichter. Oder gar ein bisschen viel leichter? Noten dienen sehr dazu, ein Machtgefüge aufrecht zu erhalten. Das weiß man natürlich auch in Betrieben und Hochschulen. Daher werden immer mehr Stimmen zur Entwertung dieses Systems laut. Aber auch Betriebe denken und arbeiten in Machtstrukturen. Diese sind mitunter fatal, denn gerade das mittlere Management krallt sich in Deutschland in seinen Sesseln fest und meidet jede Art von Entscheidung. Weiter oben im Text ging es um Manager und Leader. Wenn Geld mein Anreiz ist, arbeiten zu gehen, hat mein Unternehmen ein Problem, denn ich will ja nichts falsch machen. Ich möchte nichts riskieren. Alles soll so bleiben, wie es ist. Jeder Fehler könnte heißen, dass ich meinen Job verliere. Und dann? Wie zahle ich die Raten meines Porsches, die Hypothek meines Hauses? Während die Unternehmensführung oft kreativer und innovativer ist, als man es ihr zutraut, wird auf der Ebene des mittleren Managements alles abgewürgt, was oben erdacht wurde. Die Angst vor Fehlern ist in unserem Land allgegenwärtig. Wenn man mal an das erste iPhone zurückdenkt, hat an dem Smartphone zunächst so gut wie gar nichts funktioniert. Deutsche Ingenieure hätten sich niemals getraut, ein solches Produkt auf den Markt zu bringen. Das müsste erst mal perfekt und fehlerfrei gemacht werden. Wie viele deutsche Handymarken sind auf dem Markt? Keine. Aber wenn, dann wären die sicherlich fehlerfrei und total veraltet. Die Sanktion von Fehlern begünstigt Hierarchien und darum möchte auch niemand Fehler machen. Darum sind wir auch auf vielen Gebieten hoffnungslos abgehängt, denn andere lernen aus ihren Fehler – wir vermeiden sie. Um wirklich voran zu kommen, muss man auch Teams bilden, die über Hierarchien hinweg arbeiten. Das wird an vielen Stellen auch schon versucht, aber in der Praxis ist das oft ganz grausig. Nicht jeder Vorstand findet es innovativ, mit einem Azubi in einem Raum zu sitzen und zu erkennen, dass dessen Ideen besser als die eigenen sind. Auch hier gibt es noch viel zu lernen. Humboldts Idee des Lernens war, dass Lehrer und Schüler gleichberechtigte Partner sind. Schade, dass die Leute, die seine Ideen umgesetzt haben, leider wenig davon verstanden haben.
Was lernen wir daraus?
Bisher wurden ausschließlich Beispiele aufgezeigt, warum vieles so schlecht in unserem Bildungssystem ist und dass es in den Unternehmen nicht unbedingt besser aussieht. Natürlich gibt es auch viele positive Beispiele. Dinge, die gut laufen. Aber diese sind in der Tat weitaus weniger. Durch die Medien geistern immer wieder Zahlen, wie viele Menschen im Zuge der Digitalisierung ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Die meisten glauben heute noch nicht wirklich daran, denn das hatte man ja schon bei der Erfindung des Fließbandes gesagt. Und letztendlich gibt es heute mehr Arbeitsplätze in der Autoindustrie als zur Zeit von Henry Ford. Es werden aber auch mehr Autos gebaut. Und das ist der Knackpunkt: Wir leben in einer Zeit der gesättigten Märkte und der Anstieg der Autoproduktion in den letzen 100 Jahren wird sich nicht wiederholen. Das gilt für alles: Wie viele Navis brauche ich? Entschuldigung, die braucht man schon gar nicht mehr. Wie viele Smartphones brauche ich? Brauche ich jedes Jahr ein neues Modell? Ist das ökologisch sinnvoll? Interessiert mich überhaupt, was ökologisch sinnvoll ist in einer Welt der Selbstdarstellung? Einige Dinge werden sich in den nächsten 20 Jahren grundlegend ändern. Dazu gehört auf jeden Fall, was wir unter Arbeit verstehen und welche Werte damit verbunden sind. Müssen wir noch für Geld arbeiten? Müssen wir Autos herstellen, oder machen das Roboter für uns und wir helfen lieber den Alten in unserer Gesellschaft? Unsere Werte müssen sich ändern! Hierarchien müssen sich auflösen. Noten werden eine andere oder vielleicht keine Bedeutung mehr haben. Viele Unternehmen haben jetzt schon ihre eigenen Einstellungstests, weil sie wissen, dass Noten nichts aussagen, usw. Was heute in der Schule passiert, ist nicht mehr zeitgemäß. Und ich spreche hier vor allem von Werten. Von unserem Leistungsdenken und dem Versuch durch die Hintertür herauszufinden, was ich tun muss, um eine gute Note zu erlangen. Das zieht sich weiter durch die Hochschule und prallt heute schon auf die Realität der Arbeitswelt. Und es steht außer Frage, dass man nicht all das allein auf die Schule schieben kann. Schließlich sind wir Eltern es ja auch, die ihren Kindern eintrichtern, dass sie später keinen Arbeitsplatz bekommen, wenn die Noten nicht stimmen. Zumindest sind die etwas älteren Kids schon handy- und computersüchtig, sodass wir sie mit dem Abschalten des WLANs erpressen können. Sieht man sich all diese Dinge an, wäre genau heute der richtige Zeitpunkt für eine Revolution. An unserem Bildungssystem gibt es nichts mehr zu verbessern, es muss zerschlagen und völlig neu aufgestellt werden. Die Werte, die viele unserer Unternehmen vertreten, müssen sich ändern! All diese Dinge werden immer wieder gefordert, aber solange es läuft, wie es läuft, hört niemand zu. Aber an dem Tag, an dem es nicht mehr so läuft, schauen alle mit großen Augen in den Himmel und tun so, als ob man nicht gewusst hätte, was da auf einen zukommt.
Eine Revolution entsteht aus Hoffnung und aus neuen Ideen
Im Designzentrum Rhein Neckar wollen wir zumindest neue Anstöße geben und neue Ideen in die Welt tragen. Bildung sind für uns nicht Fächer wie Deutsch oder Mathe, sondern Systeme wie beispielsweise „Komplexität“. Unser Leben ist so kompliziert geworden, dass viele Menschen mittlerweile einfachen Versprechen folgen. Die AfD will beispielsweise die GEZ abschaffen. Es gibt kein Szenario, in dem das irgendwie von einer Partei umsetzbar wäre. Herr Seehofer wollte einen Grenzzaun bauen. Im Gebirge! Es gibt keine Firma, die technisch in der Lage ist, einen solchen Zaun zu realisieren. Aber solche Ideen werden permanent in der Öffentlichkeit diskutiert und hingenommen, ohne dass irgendwer zu lachen anfängt. Da stimmt doch irgendwas nicht, wo wir doch alle angeblich so gut informiert sind. Wir leben in einer Epoche, die sich mehr verändert als alle Epochen zuvor und die meisten Menschen tun so, als ob morgen alles noch so bleibt wie gestern. Aber nein, das wird es nicht. Und Designer werden sich nicht nur mit der Gestaltung von Artefakten auseinander setzen müssen, sondern mit der Gestaltung unserer Gesellschaft. Joseph Beuys hat schon 1967 von der „Sozialen Plastik“ gesprochen, die besagt, dass jeder Mensch durch sein kreatives Handeln die Gesellschaft verbessern kann. Was Beuys vor 51 Jahren in den Raum gestellt hat, müssen wir heute aufnehmen und realisieren. Wenn mein Sohn aus der Schule kommt, wird es niemanden mehr interessieren, ob er gut darin ist, herauszufinden, wie er möglichst viele Punkte bekommt …

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