SPRECHER, MODERATOR & WORKSHOPLEITER
Wie Schulen und Unternehmen die bevorstehende Revolution aussitzen.
SPRECHER, MODERATOR & WORKSHOPLEITER
Mein Sohn ist seit acht Monaten in der Schule. Selbstredend bin ich einer dieser Väter, der schon vorher wusste, dass das alles nur Murks ist. Je länger ich mir das System Schule aber aus der Innenperspektive ansehe, desto mehr wird mir klar, warum meine Studenten
so sind, wie sie sind und warum ich von so viel Rat- und Planlosigkeit in den Betrieben umgeben bin.
Das Ganze beginnt ja schon mit einer riesigen Verlade. Einschulung ist heutzutage wie ein Kindergeburtstag. Man bekommt Geschenke.
Oma, Opa, Tanten, Onkel und auch der Familienhund dürfen an dem Event teilhaben und sich daran erfreuen, dass
Sohn / Tochter jetzt schon richtig groß sind und die Schule besuchen dürfen. Nach der ersten Woche kommt dann die berechtigte
Frage vom Nachwuchs: „Papa, warum muss ich morgen schon wieder in die Schule?“, denn die wenigsten Kinder haben zu diesem Zeitpunkt realisiert, dass die Schulzeit etwas länger ist als
ihre letzte Kindergeburtstagsparty. Spätestens im Winter weiß kein Erstklässler mehr, warum er sich denn überhaupt so auf die Schule gefreut hat.
Vergleicht man die Institution Schule mit Unternehmen in der Wirtschaft, fallen einige interessante Gemeinsamkeiten ins
Auge: In beiden Systemen spielt Erfolg eine extrem große Rolle. Mehr Umsatz – bessere Noten. In beiden Systemen verharren Mitarbeiter in Schockstarre, weil sie total angstbesetzt sind. Und zu guter Letzt: die Hierarchie.
Dieser Artikel soll sich nicht damit beschäftigen, warum alles so furchtbar ist. Dieser Artikel geht vielmehr einigen Aspekten nach, warum wir kurz davor sind, den Anschluss an unsere Zukunft zu
verlieren. Warum gerade unsere Tugenden verhindern, dass wir zurzeit eine zufriedene und gerechte Gesellschaft aufbauen können. Es geht darum, dass wir zu träge für eine Revolution sind, dass jeder nur an sich denkt und dass unsere Werte und Normen völlig veraltet sind.
Wenn man von Erfolg spricht, kann man diesen erst definieren, wenn man sich mit Wertesystemen auseinander gesetzt hat. Unser Wertesystem ist nicht besonders alt. Es entstand mit der Industrialisierung. Also in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Fortan wurden die Werte Leistung, Erfolg und Reichtum groß geschrieben. Oder einfacher ausgedrückt: Wer viel leistet (arbeitet), hat viel Erfolg und wird daher auch Wohlstand ernten. In anderen Zeiten gab es aber ganz andere Wertesysteme. Wer beispielsweise im alten Rom oder Griechenland gearbeitet hat, war eher ein Opfer der Sklaverei. Die richtig coolen Leute haben damals nicht gearbeitet. Sie hatten den ganzen Tag Zeit für Kunst, Politik oder Philosophie. Wer es nicht glaubt, soll folgende Frage beantworten: Wie heißen die drei berühmtesten römischen Geschäftsleute? In der Unternehmenstheorie unterscheidet man zwischen Managern und Leadern. Manager treffen Entscheidungen aufgrund von Daten und nachvollziehbaren Entscheidungen anderer Menschen in der Vergangenheit. Dafür enthalten sie Rendite, also Reichtum. Leader entscheiden aus dem Bauch heraus und erhalten dafür die Loyalität ihrer Mitarbeiter.
Frage: War Steve Jobs ein Manager oder ein Leader?
feststellen, dass diese meist auf der Suche nach Leadern sind. Für viele ist Manager sogar mittlerweile ein Schimpfwort. Denn wie will man eine Zukunft planen, die keiner kennt? Da kann man sich ja nur auf die Dinge verlassen, die man bisher gemacht hat. Innovation kann so nicht entstehen. Dennoch werden heute fast nur Manager ausgebildet, denn was ein Leader wirklich kann, nämlich aus dem Bauch heraus entscheiden, das lernt man nicht so einfach aus Büchern. Dazu bedarf es vor allem auch eines: Haltung.
Jetzt sind wir wieder in der Schule. Oder besser gesagt an der Hochschule. Ich habe über viele Semester hinweg Mentorengruppen betreut. Das sind Studierende, die gerade von der Schule kommen und eine besondere pädagogische Betreuung brauchen. Denn merke: Jeder Student bringt einer Hochschule Geld. Daher sollte man unbedingt vermeiden, dass man unterwegs jemanden verliert, der daran scheitert, das Deckblatt seiner Hausarbeit zu erstellen. Das war nicht sarkastisch gemeint. Die Realität ist zum Teil noch viel erschreckender. Sieht man sich also diese Studienneulinge an, weiß man schnell vieles über die Schule, denn die Damen und Herren haben vor allem dort eines gelernt: Klausuren zu bestehen. Zu welchem Thema? Egal. Das grundlegende Mindset lautet: Mit möglichst wenig Aufwand möglichst viele Creditpoints zu bekommen. Der Inhalt ist nebensächlich, denn nach der Klausur wird das Gehirn ohnehin entrümpelt. In der Regel nehmen viele Studierende diese Einstellung bis ans Ende ihres Studiums mit und erlangen so auch ihren Abschluss. Die Guten natürlich nicht, denn diese wechseln schon nach ein oder zwei Semestern an eine Privatuni oder ins Ausland. Erfolg heißt also auf die Lehre bezogen, gute Noten zu schreiben. Gute Noten bekommt man, indem man herausfindet, was der Lehrende am liebsten hören möchte. An der Hochschule wird man von Studierenden darauf auch direkt angesprochen, denn diese finden es total ungerecht, wenn sie nach ihrer eigenen Meinung gefragt werden. Zitat einer Studierenden: „Was nutzt es mir, wenn ich eine eigene Meinung habe und dann eine schlechte Note und keinen Masterstudienplatz bekomme?“ Gegenfrage: Was nutzen der Welt Leute, die so ihren Abschluss machen?
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